Gedenktafel für den letzten Pfarrer von Königsberg auf dem Altenberg

Gedenktafel für den letzten Pfarrer von Königsberg auf dem Altenberg

„Im Jahr 1945 wird das Krankenhaus der Königsberger Diakonie zum Kommunikationszentrum für die christlich orientierten und noch verbliebenen Menschen in Königsberg. Auch wird die Barmherzigkeit zur Zentrale für die Rumpfkirche im sowjetisch besetzten Gebiet“. Das berichtete die Drehbuchautorin Henriette Pieper im nahezu voll besetzten Festsaal des Klosters Altenberg. Anlass war die Vorstellung ihres Buches „Der letzte Pfarrer von Königsberg“, in dem sie die Lebensgeschichte ihres Großvaters, Pfarrer Hugo Linck (1890 bis 1976), erzählt. Dessen Leben ist eng mit dem Schicksal der Königsberger Diakonie und deren Diakonissen verbunden. In Gedenken an den Theologen und dessen Ehefrau Maria wurden 2009 das Kreuz und die Namenstafeln von ihrem Grab in Hamburg auf den Altenberg überführt. Dort liegen die Gedenksteine inmitten der Tafeln, die an viele hundert Diakonissen erinnern.

Pieper, die von 1994 bis 2009 mit ihrer Familie in Gießen gewohnt hat, suchte in dieser Zeit den Kontakt zu den Diakonissen auf dem Altenberg. Dort fand sie auch Schwester Frida Fast, die viele Jahre in Königsberg in der Gemeinde ihres Großvaters und nach der Vertreibung aus Ostpreußen in dessen neuer Gemeinde in St. Johnnis in Hamburg-Harvestehude gewirkt hat. Noch ein Jahr bis zu deren Tod konnte Pieper die Diakonisse besuchen und Erinnerungen austauschen.

1913 hatten sich der Ostpreuße Linck und dessen spätere Frau Maria aus Holstein kennen und lieben gelernt. Fünf Jahre später war die Hochzeit. Linck wurde Pfarrer in der Löbenichter Kirche von Königsberg. Dort baute er im drei Kilometer entfernten Lichte in einer Neubausiedlung für Industriearbeiter ein Gemeindehaus, das später ihre Zuflucht werden sollte.
Mit der Machtergreifung Adolf Hitlers sollten alle nichtarischen Pfarrer ihre Arbeit verlieren. Dagegen bäumte sich die Bekennende Kirche auf, der sich Linck anschloss, „denn das Evangelium schließt niemanden aus“, so Pieper. Lincks Pfarrhaus in Königsberg wurde damals zum Zentrum des bekennenden Kampfes in Ostpreußen.
In bewegenden Worten schilderte sie die Familiengeschichte. In der Zeit des Nationalsozialismus kamen schwere Jahre auf die Pfarrfamilie zu. Von den vier Kindern verloren zwei Söhne das Leben im Krieg. Im August 1944 gab es zwei schwere Luftangriffe auf Königsberg, wobei die Stadt stark zerstört wurde. Über 100.000 Menschen in Ostpreußen sind tot und mehr als 130.000 Einwohner Königsberger wurden dabei obdachlos. „Die Post wurde in die Barmherzigkeit geliefert, wo sich die Menschen ihre Briefe abholen konnten“, schilderte Pieper.
1945 waren die Fluchtwege aus Ostpreußen abgeschnitten, nur noch über die Ostsee konnten die Einwohner fliehen. „Aus heutiger Sicht unverständlich bleibt Hugo Linck in Königsberg, weil er sich seiner Gemeinde gebunden fühlt“, so Pieper in ihrer Lesung. In dem verlorenen Krieg sieht er das Gericht Gottes über Deutschland. Nach seiner Sicht ist es egal, wo man in diesem Gericht ist, ob in Königsberg oder auf der Flucht. Als der russische Kommandant den Großvater fragt, wie viele Deutsche ausreisen möchten, antwortet Linck kurz „alle“. Darauf beginnt Stalin alle Deutschen auszuweisen.

Lincks Ausreiseantrag wird jedoch zuächst verwehrt. Im November 1947 wird die Familie aufgerufen mit allen evangelischen und katholischen Seelsorgern und Mitarbeitern sich auf die Ausreise vorzubereiten. Doch die Lincks werden wieder von der Liste gestrichen. So kommt es, dass Hugo Linck der letzte Pfarrer von Königsberg wird. Im März 1948 wird auch die Familie Linck zum Bahnhof gebracht. Dort müssen 40 Menschen in einen dunklen Viehwaggon einsteigen mit einem Eimer für alle. Der Transport muss noch Stunden warten, denn 200 Patienten und Diakonissen aus der Barmherzig sollen ebenfalls ausreisen. Pfarrer Linck stellte sich den Mitreisenden vor: „Heute ist Sonntag. Ich bin Pfarrer Linck und ich will eine Andacht für euch halten“. Nicht alle haben den Transport überlebt. Die Leichen wurden bei einem Halt an einem Bahnhof aus den Waggons entfernt. Nachdem Pfarrer Hugo Linck eine neue Stelle in Harvestehude gefunden hatte, bleib er zeitlebens Seelsorger der vertriebenen Ostpreußen. Mehrfach war er auch Prediger bei den Jahresfesten der Königsberger Diakonissen auf dem Altenberg.
Eva Steinmetz, Vorstand der Königsberger Diakonie, dankte für den Vortrag. Die große Zahl der Besucher zeige, dass die Diakonissen in Mittelhessen nicht vergessen sind. Unter den Besuchern war auch die letzte Oberin der Königsberger Diakonie, Hannelore Skorzinski. Zu sehen waren auch 25 Schwarz-weiß-Fotografien, die Vladi Murtin in den Jahren 1990 bis 2001 vom Leben der Diakonissen auf dem Altenberg hergestellt hatte. Zudem war die Aussstellung „Die Königsberger Diakonissen der Barmherzigkeit“ zu sehen. Ferner wurde ein 25-minütiger Film von Schülern der Wilhelm-von-Oranien-Schule Dillenburg gezeigt, die sich in Deutschland und Königsberg auf die Suche nach der Geschichte der Diakonissen begeben hatten. Steinmetz sagte, dieser Abend sei der Start in das Jubiläumsjahr „170 Jahre Königsberger Diakonie“.

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